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"Das was das Sinngewicht des Lebens ausmacht, ist nicht das Extensive, das Quantum, sondern
das Intensive, die Kraft des fühlenden Erlebens." (Romano Guardini)


Maß-Halten? Wenn Essen zum Problem wird....

Essgestörten Jugendlichen und Erwachsenen hilft der Einbezug des Körpers in die Psychotherapie

Essen ist lebensnotwendig. Es wird natürlicherweise durch Hunger- und Sättigungssignale reguliert. Doch immer mehr Menschen - mittlerweile sogar die Mehrheit der Deutschen – gestehen Schwierigkeiten mit dem Essverhalten ein. Schon bei Kindern mehren sich die Gewichtsprobleme alarmierend  und vor allem junge Mädchen geraten zu Beginn der Pubertät immer häufiger in einen Strudel von Essproblemen. Viele essen und/oder fasten ungezügelt – die Betroffenen fühlen sich wie süchtig und zwanghaft. Gestörtes Essverhalten gipfelt in psychischen Krankheiten, den Essstörungen.

Der zunehmende Nahrungsmittelüberfluss, die sich ständig verändernden Lebensrhythmen, ein extremes Schlankheitsideal und auch Bewegungsmangel sowei Bezieungsstörungen sind Hintergründe für den immer schwieriger werdenden Umgang mit der Ernährung.

Ein Beitrag von K. Löwenstein aus der "Praxis Wissen Psychosozial 15/2013" zum Thema "Essen als Beziehungsbildung"

Aus psychotherapeutischer Sicht ist aber viel entscheidender, dass psychische Bedürfnisse und Konflikte, die im Zwischenmenschlichen gelöst werden könnten und müssten, immer mehr auf das eigene Innenleben und den Körper verschoben und bald nur noch über diesen zum Ausdruck gebracht werden können. Das Denken wird immer mehr auf das Essen und das Körpergewicht fixiert. Der Körper erfüllt bald Ventilfunktion für eine seelische Mangelsituation. Charakteristisch für Essgestörte ist seelisches und soziales Rückzugsverhalten, innere Einsamkeit und sich steigernde Ängste.

Bei einem essgestörten Menschen nimmt der Körper mit seinem Gewicht  einen unverhältnismäßig hohen Stellenwert ein, an ihm wird das Selbstwertgefühl bemessen. Unzufriedenheit mit der Figur, Diäten und eingeschränktes Essverhalten können ein Einstieg in eine Essstörung sein. Der Körper wird meist verzerrt wahrgenommen und das Körpererleben ist oft grundlegend gestört. Körperpsychotherapeuten sprechen von sogenannten Körperbild- und Körperschemastörungen: Der Körper wird mit seinen Signalen (Hunger oder sogar Gier) als bedrohlich angesehen und bestimmte Körperpartien, v.a. Hüften, Bauch, Po, Oberschenkel und -arme werden z.B. als zu groß oder zu breit oder zu dick angesehen oder bewertet. Beherrschende Lebensthemen werden Kontrolle, Ekel vor Nahrungsmitteln und sich selbst und mehr oder weniger bewusste Gier. Alles Andere wird immer unwichtiger: Freunde, Unternehmungen, Interessen, Weiterentwicklung.

Es gibt verschiedene Ausprägungen von Essstörungen:

Magersucht (Anorexia nervosa)
Der magersüchtige Mensch erlebt sich selbst trotz Untergewichts als zu dick und hat extreme Angst zuzunehmen. Er meidet Nahrungsaufnahme, fühlt sich oft sogar gezwungen abzuführen oder extremen Sport zu betreiben. Vor allem Frauen neigen zu einer Überschätzung ihrer Körperweite. Die extreme Magersucht geht mit mangelnder Versorgung des Körpers mit Mineralien, Vitaminen und Proteinen einher und kann sogar zu einer mit bildgebenden Verfahren nachweisbaren Atrophie (Gewebsabbau) im Gehirn führen, der allerdings bei Erhöhung des Körpergewichts wieder rückläufig ist. Oft tritt Hyperaktivität als Folge des Nährstoffmangels auf oder wird bewusst zur Stimmungsaufhellung und Angstreduktion eingsesetzt. Es gibt Hinweise dass Hyperaktivität durch Eisenmangel bedingt sein kann.

Ess- und Brechsucht (Bulimia nervosa)
Der bulimische Mensch hat oft ein normales Gewicht, wird aber von einer andauernden Gier nach Nahrungsmitteln und Essattacken überwältigt. Auch hier besteht eine krankhafte Furcht, dick zu werden. Die Gewichtszunahme wird oft durch Erbrechen und Abführmittel vermieden. Auch hier sind mehr die weiblichen Teile der Bevölkerung betroffen.

Essstörung mit "Fressanfällen" (Binge-Eating-Störung)
Eine Binge Eating Störung zeigt sich in Episoden von unkontrollierbaren Heißhungeranfällen mit nachfolgenden Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen.

Das Übergewicht (Adipositas) kommt sowohl beim männlichen als auch beim weiblichen Geschlecht vor. Übergewichtige haben einen erhöhten Anteil an Körperfett, sie lassen sich in ihrem Gewicht und Essverhalten in zu starkem Maße durch Gefühlsschwankungen beeinflussen. Das Essen erscheint wie ein Versuch der Kompensation.

Essgestörte können die Erkrankung in der Regel nicht ohne professionelle Hilfe und neu erlernte Beziehugnsgestaltung überwinden. Je nach Schwere der Erkrankung kann ein stationärer Aufenthalt in einer Spezialklinik nötig sein oder es kann eine ambulante Behandlung das Mittel der Wahl sein. In jedem Fall brauchen Essgestörte gezielte psychotherapeutische Unterstützung.

Jüngere Forschungsergebnisse zeigen: Essstörungen lassen sich nicht allein durch Änderungen am Essverhalten beseitigen. Denn dies ist nur eine Korrektur des Symptoms und kann die Essstörung sogar verlagern und verlängern: Viele junge Mädchen sind erst mager- und dann brechsüchtig.  Ebenso ist der Jo-Jo-Effekt der Diäten bei Übergewichtigen einzuordnen. Wenn sich die Wahrnehmungen, Einstellungen und Gefühle zum (Beziehungs-) Leben und zum eigenen Körper nicht grundlegend ändern, bleibt das Rückfallrisiko hoch.

In meiner Praxis biete ich eine erweiterte Form der körperorientierten Psychotherapie an. Dabei behandle ich den gesamten Menschen und nicht nur die Krankheitsymptome und fördere individuelles Wachstum und Entwicklung. Psychotherapie für Essgestörte gestalte ich:

  • als Wahrnehmungstraining. Der Umgang mit den Sinneswahrnehmungen, dem eigenen Körper sowie den Gefühlen wird neu gestaltet. Hierbei werden Körper-, Atem- und Entspannungsübungen sowie Betrachtungsübungen zur Anregung der Erlebnisfähigkeit und der Sinnesfreude angeboten. Essgestörte brauchen einen speziellen Lernschritt, der sich an das obige Zitat  anlehnt: "Das was das Sinngewicht des Lebens ausmacht, ist nicht das Extensive, das Quantum, sondern das Intensive, die Kraft des fühlenden Erlebens."  (Romano Guardini)
  • und als beziehungsfördernden Prozess. Es werden belastende Konflikte besprochen und Lösungswege erarbeitet. Die Ursachen beziehungsweise Auslöser der Krankheit sollten bewusst werden Dazu gehört auch der familiendynamische Hintergrund. Die Themen der Einsamkeit, Gier und Kontrolle rücken in den Mittelpunkt – auch das Einfühlungsvermögen. Einfühlung setzt vor allem ein Aus-sich-selbst herauskommen voraus. Eine bessere Wahrnehmung und Empfindung für sich selbst kann nur im Zusammenhang mit der objektiveren Wahrnehmungsfähigkeit für das Gegenüber wachsen und umgekehrt. Rudolf Steiner formuliert diesen Grundsatz folgendermaßen: "Erkenne Dich selbst und du findest die Geheimnisse der Welt; beschaue die Welt und Du findest die Geheimnisse des Selbst." Das Verhältnis Innen-außen wird neu geordnet. Die Beziehungsaufnahme zu den Nahrungsmitteln gehört auch dazu.

Es geht auch um neue Lebenszielsetzungen. Wenn die Möglichkeiten der bewussten Lebensführung gestärkt werden, kann das Leben von einem freieren Standpunkt maßvoller gestaltet werden.

Die Therapie umfasst an einem spirituellen Menschenbild ausgerichtete Formen von Diagnose und Gespräch und verschiedene Trainingsmöglichkeiten für Seele und Körper, wobei Elemente aus dem Heiltherapeutischen Yoga und der Tanz- und Ausdruckstherapie einfließen. Zur Unterstützung seelischer Prozesse empfehle ich manchmal auch spezifische Naturheilmittel.

In der Regel sind Terminvereinbarungen ohne lange Wartezeiten möglich. In schweren Fällen biete ich Hausbesuche an.

 

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